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UNSERE SOZIALPÄDAGOGEN

35 Sozialpädagogen arbeiten zur Zeit bei der Möwe mit den Jugendlichen.
Einige geben hier stellvertretend Einblicke in unseren Arbeitsalltag.


Interview R. Kronenberger,
Dipl.Theologe, Psychologischer Berater


Frage: Sie haben vor der Möwe beim Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft (BWHW) gearbeitet. Was waren dort Ihre Tätigkeiten?

R. Kronenberger: Ich habe in Projekten im Bereich der Jugendbildung gearbeitet. Das BWHW bietet unter anderem auch ausbildungsbegleitende Kurse an. Seltener haben wir in Firmen auch direkte pädagogische Unterstützung geleistet, z.B. wenn der Auszubildende nicht mit seinem Ausbilder zurechtkam. Informiert werden die Firmen über diese Angebote seitens des Jobcenters oder der Arbeitsagentur. Beim BWHW werden auch Jugendliche ausgebildet, die auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Ausbildung finden, z.B. weil sie straffällig geworden sind. Das BWHW fungiert dann als offizieller Ausbilder, das praktische Fachwissen wird durch kooperierende Firmen vermittelt.

Frage: Das hört sich an, als hätten Sie während dieser Tätigkeit ein umfangreiches Netzwerk in Frankfurt aufgebaut.

R. Kronenberger: Ein Netzwerk, das mir und auch Kollegen bei der Möwe gute Dienste leisten kann, da ich bei Problemen unserer Jugendlichen adäquate Ansprechpartner kenne.

Frage: Wie kommen Sie als studierter Theologe zur Arbeit mit Jugendlichen?

R. Kronenberger: Vor dem Studium habe ich ein Dreivierteljahr bei den Salesianern Don Boscos gelebt. Dies ist eine Ordensgemeinschaft der römisch-katholischen Kirche, die auf den italienischen Priester Johannes Bosco zurückgeht. Sie sind Pioniere der pädagogischen Jugendarbeit. Jugendseelsorge, Jugendsozialarbeit und Jugendbildung sind hier Stichworte. Es war eine Zeit, die mich sehr geprägt hat. Allerdings sagte mir das Ordensleben nicht zu, so beschloss ich Theologie zu studieren. Dazu habe ich Weiterbildungen im beraterischen Bereich absolviert und Gemeindearbeit mit Jugendlichen geleistet. Das waren eher zeitlich begrenzte Gruppenangebote für Jugendliche. Mein Interesse liegt aber darin, junge Leute über einen längeren Zeitraum zu begleiten und das kann man am besten über einen Jugendhilfeträger - wie die Möwe.

Frage: Können Sie uns Beispiele für Ihre aktuellen Tätigkeiten geben?

R. Kronenberger: Im Moment begleite ich einen UmA (Unbegleiteten minderjährigen Ausländer) im Rahmen des „Betreuten Wohnens“, der im nächsten Jahr seinen Hauptschulabschluss machen möchte. Ich habe für ihn sämtliche Hilfsangebote durchforstet, um das richtige zu finden. Begonnen hat er mit einer „Alphabetisierung“. Eine andere Jugendliche absolviert zurzeit ein Freiwilliges Soziales Jahr und möchte danach eine Ausbildung zur Einzelhändlerin absolvieren. Den entsprechenden Betrieb hat sie selbst schon gefunden. Er ist leider sehr klein und nimmt nur einen Auszubildenden, so wird erst im nächsten Sommer eine Stelle frei. Die Jugendliche kann aber schon einmal eine EQ - eine „Einstiegsqualifikation“ - machen, sprich, sie arbeitet wie der Azubi im Betrieb und besucht voraussichtlich auch schon die Berufsschule. Nach 9-12 Monaten ist es ihr möglich, in die tatsächliche Ausbildung zu wechseln. Unter bestimmten Umständen erkennt die IHK das Jahr dann entsprechend an und verkürzt die Ausbildung. So ist der Plan.

Frage: Sie bauen eine Zukunftsstruktur mit den Jugendlichen auf. Stehen da Wunsch und Realität immer im Einklang?

R. Kronenberger: Manchmal muss man über verschiedene Geschwindigkeiten reden: Mein UmA z.B. muss hin und wieder gezügelt werden. Er will am liebsten sofort arbeiten. Zwischen ihm und seinen Freunden entspinnt sich eine Art Wettbewerb: „Ich komme schneller voran als du.“ Hier muss ich ihm klar machen, dass die Ausbildungen in Deutschland länger und gründlicher sind, dafür aber auch international anerkannt.
Aber auch die Einschätzung der schulischen Leistungen in Verbindung mit dem Traumberuf muss ab und an überdacht werden. Wenn ein Jugendlicher mit einer 5 in Mathe und Englisch eine IT-Ausbildung machen will, muss er sich darüber klar werden, dass die schulischen Leistungen dann deutlich besser werden müssen. Auch das ständige Beschäftigen mit Videospielen ist in dem Fall wenig hilfreich.

Frage: Wie gehen Sie in so einem Fall vor?

R. Kronenberger: Zuerst versuche ich zu verstehen, warum der Jugendliche sich so vor den Bildschirm zurückzieht. Ist das Computerspielen in seiner Klasse einfach so beliebt? Oder gibt es im näheren Umfeld Gründe dafür? Intensives Computerspielen kann eine Art Flucht sein. In einem solchen Fall versuche ich gemeinsam mit dem Jugendlichen das Verhältnis von Schule und Computerspiel wieder in ein vernünftiges Maß zu bringen. Ich spiele hin und wieder auch Videospiele – es kann eine angenehme Ablenkung sein, mit der man in seiner Freizeit den Stress in der Schule oder bei der Arbeit vergessen kann. Daher mache ich einem Jugendlichen in dieser Hinsicht keinen Vorwurf. Aber dennoch möchte ich erreichen, dass das Videospiel nur eine Ablenkung und nicht der komplette Inhalt der Freizeit ist.

Frage: Kann die Schule Sie hierbei unterstützen?

R. Kronenberger: Auf jeden Fall. Ich habe z.B. bei dem Computer spielenden Jugendlichen einen sehr guten Kontakt zur Klassenlehrerin. Die Mutter hat den Austausch erlaubt. So erfahre ich sofort, wenn etwas vorgefallen ist oder auch in welchen Fächern der Jugendliche unterstützt werden sollte. Die Lehrerin hat den Jugendlichen meiner Meinung nach sehr gut im Blick. Sie hat eine gute Art zu kontern, ohne anzugreifen. Die Kinder wissen, dass sie sich nicht so schnell aus der Fassung bringen lässt. Der Jugendliche respektiert sie, das merkt man. Er hat bereits einige Fortschritte gemacht.

Frage: Was ist Ihre Motivation bei der Arbeit mit den Jugendlichen?

R. Kronenberger: Ich bin der Meinung, dass in jedem Menschen etwas Gutes steckt, das man nur hervorholen muss. Hier spielt meine religiöse Ausrichtung eine gewisse Rolle. Wie Don Bosco schon sagt: „Diese Kinder sind Edelsteine, die auf der Straße liegen. Sie müssen nur aufgehoben werden, und schon leuchten sie.“ Ich sehe mich den Jugendlichen gegenüber auch nicht als Lehrmeister, eher als großer Bruder, der ihnen auf die Beine hilft. Don Bosco ist mir hier mit seiner väterlichen Art, die er den Kindern und Jugendlichen gegenüber hatte, ein Vorbild. Sie dürfen bei mir wiederholt Fehler machen, oder Macken zeigen. Meiner Ansicht nach gehört das zum Prozess, den ein Jugendlicher einfach durchlaufen muss. Der Jugendliche soll sein Leben auch nicht nach meinen Wünschen gestalten. Vielmehr soll er es in den gegebenen Grenzen so gestalten, dass er eine gute private und berufliche Zukunft hat.


Interview Selina Meyer,
Sozialarbeiterin


Frage: Sie haben vor der Möwe bei der Caritas Erstaufnahme von Unbegleiteten minderjährigen Ausländern (UmA) gearbeitet?

Selina Meyer: Ich habe dort mein Anerkennungsjahr gemacht und den Vertrag um ein halbes Jahr verlängert. Als absehbar wurde, dass die Gruppen schließen bzw. verteilt werden, habe ich mich bei der Möwe beworben.

Frage: Arbeiten Sie auch bei der Möwe mit UmA’s?

S. Meyer: Ja, im Rahmen des „Betreuten Wohnens“ kümmere ich mich seit etwa einem Jahr um einen Jugendlichen mit afghanischer Herkunft. Er macht zurzeit eine Ausbildung als Informations- und Telekommunikationssystemelektroniker.

Frage: Wie schlägt er sich so?

S. Meyer: Er ist sehr happy. Er wollte unbedingt in den IT-Bereich. Insgesamt ist er sehr ehrgeizig. Sein Deutsch ist schon ziemlich gut. Er lernt es in der Schule, übt aber auch viel zu Hause.

Frage: Hatten Sie mit dem Jugendlichen Probleme, weil Sie eine Frau sind?

S. Meyer: Nein, auch nicht bei der Caritas. Ich habe das Gefühl, dass die Jugendlichen die Rolle, die man als Betreuer innehat, mit Respekt betrachten. Wichtig ist natürlich auch, welche Dynamik in einer Gruppe herrscht. Bei der Caritas gab es nur vereinzelt schwierige Charaktere - vielleicht, weil die Jugendlichen gerade erst angekommen waren. Es gab mehr Dankbarkeit. Ich könnte mir vorstellen, „rebellische“ Gefühle entwickeln sich erst später, wenn man mit den Umständen vertrauter ist.

Frage: Sie begleiten auch Familien? Was sind hier Ihre Haupttätigkeiten?

S. Meyer: Ich stehe hier vor allem auch organisatorisch zur Seite, mache Termine mit Ärzten und gucke, dass diese eingehalten werden. Ich begleite bei Behördengängen und bin in Kontakt mit der Schule. Hier wurde z.B. für einen Jungen eine Integrationskraft hinzugezogen. Oftmals ist es viel Formularkram, dessen Bewältigung den Eltern alleine zum Teil schwer fällt.

Frage: Wie sind Ihre Erfahrungen bei Familien im Gegensatz zu Einzelpersonen?

Selina Meyer: Man muss mehr Menschen unter einen Hut bekommen, da man den Hilfeplan ja zusammen mit Kindern und Eltern erarbeitet. Manchmal verändert sich auch das Gesamtbild. Bei einer Familie wurden wir z.B. wegen des Kindes hinzugezogen, das in seiner Entwicklung von Gleichaltrigen abwich. Später zeigte sich, dass die Problematik sehr vielschichtig war und auch die Familie im Kern, sprich den Vater und die Mutter, betraf.

Frage: Was machen Sie in so einem Fall?
Selina Meyer: Als allererstes muss ich das Vertrauen gewinnen. Das kann sich schon einmal hinziehen. Bei dem Ehemann war z.B. die Kontaktaufnahme schwierig. Er hat sich eher aus der Maßnahme herausgezogen, ist z.B. gegangen, wenn ich kam oder hat Termine nicht wahrgenommen, bei denen er ursprünglich zugesagt hatte. Die Ehefrau unterstütze ich z.B. bei der Suche nach den richtigen Berufsqualifikationen. Wichtig ist mir aber auf jeden Fall das Wohl des Kindes: Der Junge hat bereits Fortschritte gemacht, insbesondere seitdem er mit einem Logopäden zusammenarbeitet. In einer anderen Familie unterstütze ich die alleinerziehende Mutter, die stark überlastet ist. Hier war der Anfang sehr schwierig, da diese Familie schon mehrere Maßnahmen durchlebt aber keine wirklich positiven Auswirkungen erfahren hatte. Sie neu zu motivieren war die größte Hürde.

Frage: Wie gehen Sie da vor?

Selina Meyer: Bei einem der Kinder hatte sich sehr viel Frustration aufgebaut, da es seit seiner Einschulung Probleme gab, u.a. waren hier Versagensängste und das Gefühl „gemobbt“ zu werden ausschlaggebend. Ab einem gewissen Alter kann ich ein Kind persönlich durch Argumentation erreichen und positiven Einfluss nehmen. Wenn das nicht ausreicht, hole ich mir „Experten“ ins Boot, schaue mich also um, was es für psychologische Gruppenangebote gibt. Leider sind diese natürlich auch oft überlaufen. Je länger die Wartezeit, desto schwerer ist die Maßnahme der Familie zu vermitteln und die Situation stagniert dann in der Zeit leider auch.
Bei einem anderen Kind wurde nun eine Form des Autismus festgestellt. Diese Erkenntnis hat auch eine positive Seite: Die Mutter, die bisher dachte, „der macht das alles absichtlich“, erkennt nun, „mein Kind ist nicht einfach nur schwierig, sondern es gibt einen Grund für sein Verhalten“ und findet dadurch neue Herangehensweisen, in denen ich sie natürlich mit entsprechenden Hilfsangeboten unterstütze .

Frage: Was machen Sie, wenn es in einer Familie zu Gewalt kommt?

Selina Meyer: Wenn sich die Gewalt gegen die Mutter richtet, kann ich ein Hilfenetz aufbauen und anbieten, also vorschlagen, dass wir uns gemeinsam an entsprechende Institutionen wenden. Die Frau selbst muss dann entscheiden, was sie macht: Ob sie ihrem Mann die Tür wieder öffnet, oder nicht. Da eine solche Situation aber auch immer die Kinder mitbetrifft, ist eine enge Zusammenarbeit mit dem Jugendamt an dieser Stelle sehr wichtig.

Frage: Es scheint, Ihre Arbeit kann sehr herausfordernd sein?

Selina Meyer: Durchaus. Aber wir haben ja auch unsere Instrumente, um dies etwas abzumildern. Bei der Möwe gibt es z.B. regelmäßig eine Supervision mit nur drei oder vier Teilnehmern. Hier diskutieren wir die drängenden Problematiken alle zwei Wochen. Das ist sehr hilfreich. Es vermittelt einem oft eine andere Perspektive und gibt neue Gedankenanstöße. Ein Ausgleich sind für mich auch die Wochenenden. Hier habe ich Zeit, mich auf mich selbst zu konzentrieren, mir bewusst zu werden, was mir guttut und das wiederum gibt mir neue Kraft für die Arbeit. Ich benötige meine Familie und meine Freunde, um aufzutanken und „Normalität“ zu erleben, da ich in der Arbeit oft Chaos, Verbitterung und Verweigerung erlebe.

Frage: Was ist Ihre Motivation?

S. Meyer: Ganz wichtig ist mir, die familiäre Situation zu begleiten und dabei das Kind als „schwächstes Element“ zu stützen. Ich bin Christin und habe daher ein christlich geprägtes Menschenbild: Jeder Mensch ist von Gott geliebt und gewollt und das möchte ich insbesondere den Kindern vermitteln. Bevor ich zu studieren und zu arbeiten begann, habe ich ein Jahr im Ausland verbracht. In Brasilien habe ich mit Kindern aus den Armenvierteln gearbeitet. Hier herrschte oft eine völlige Perspektivlosigkeit. Wir haben Programme installiert, um die Kinder von der Straße wegzuholen, denn dort drohten sie in die Kriminalität abzurutschen. Wir wollten ihnen eine Kindheit ermöglichen, mit Spielen und Spaß, aber sie natürlich auch ein Stück weit erziehen. Sie sollten lernen, dass man auch gewaltfrei miteinander umgehen kann. Aber vor allem wollten wir ihnen ihre eigenen Stärken aufzeigen, um diese zu fördern und die Jugendlichen ermutigen, ihren eigenen Weg zu gehen. Genau das, möchte ich auch hier in Deutschland den Kindern vermitteln, die es schwer haben. Ich sehe mich als ihr `Motivator´, helfe ihnen, Problematiken zu überwinden, um für sie das Beste zu erreichen.


Vanessa Hofmeister – „Authentizität vermitteln“ – Dipl.- Sozialarbeiterin – Arbeitsplatz Familienwohnzimmer – seit 2010 bei der Möwe.

Ich muss dem Jugendlichen, den ich betreue, Authentizität vermitteln, mich als Mensch präsentieren und auch persönliche Fragen zulassen. Der Jugendliche soll dies als Grundstein unserer Kooperation begreifen. Ein Stück weit lasse ich zu, dass der Jugendliche sich an mir „abarbeitet“, weil ich seine Geschichte im Hinterkopf habe. Das heißt nicht, dass man nicht auch Grenzen setzt, aber diese werden weiter sein als bei anderen Mitmenschen. Bevor ich zur Möwe kam, arbeitete ich für das Jugendamt Frankfurt. Dieses ist für die Analyse des Bedarfs und die Koordination der Hilfeleistungen innerhalb der Jugendhilfe zuständig. Hilfe zur Erziehung – wie dies die Möwe u.a. anbietet – wird an die Träger weitergegeben. Ich bin zur Möwe gewechselt, weil ich die enge Zusammenarbeit mit den Jugendlichen suche. Ich will anpacken, umsetzen, selbst machen, nicht nur delegieren. Ich habe den Wechsel nicht bereut.


Dieter Weckerle – „Blauhelm-Einsatz für Jugendliche“ – Dipl.-Sozialpädagoge – Jugend- und Erwachsenenbildung – seit 2000 bei der Möwe (vorher im Kinder- und Jugendheim Heilsberg tätig).

Als Sozialpädagoge ist man Vermittler zwischen den Fronten, um für die Jugendlichen den bestmöglichen Entwicklungsspielraum zu schaffen. Sämtliche Institutionen, die für die Jugendlichen wichtig sind, werden ins Boot geholt – das Jugendamt, das System Schule, Eltern oder Vormund, Ärzte, Psychotherapeuten – und man versucht, die Reibungen zwischen den Parteien möglichst klein zu halten und im Idealfall auch aufzulösen. Ebenso muss der Jugend­liche lernen, mit Erwachsenen zu interagieren. Wir machen ihm bewusst, dass man auch „positiv“ streiten kann. Meist kennen die von uns betreuten Jugendlichen nur Kommunikation, die schreiend ausgetragen wird. Wir vermitteln ihnen Kommunika­tion auf verträglicher Basis. Die Jugendlichen sollen lernen, dass eine Diskussion nicht zwangsläufig darin endet, dass der andere laut wird oder einfach abhaut.


Hüseyin Arslan – „Sozialarbeit als Ressourcenentdeckung“ – Dipl.-Sozialpädagoge, Dipl.-Pädagoge, NLP-Ausbildung – Familienkonflikte mit interkulturellen Aspekten, sexueller Missbrauch an Jungen – seit 2008 bei der Möwe.

Vor einigen Jahren las ich eine Statistik, die besagte, dass 50 % der türkischen Kinder ohne Hauptschulabschluss von der Schule gehen. Diese Zahl hat mich aufgeschreckt und dazu bewogen, etwas zu tun. Ich begann mit der Lernhilfe und arbeite mittlerweile seit 12 Jahren in der Jugend- und Familienhilfe. Ich freue mich, wenn ich es geschafft habe, einen Jugendlichen bis in den Beruf zu begleiten. Dabei muss immer im Vordergrund stehen, was der Jugend­liche sich selbst zutraut und umsetzen kann, nicht, wo ich ihn als Sozialpädagoge sehen will. Man muss seinen eigenen Ehrgeiz zurückstellen und in den Jugendlichen hineinhorchen, seine Ressourcen erkennen und fördern. Man darf den Stab nicht zu hoch legen, sonst verschreckt man den Jugendlichen und erreicht das Gegenteil von dem, was man erreichen könnte.


Silvia Sann – „Man steckt viel ein – bekommt aber auch viel zurück“ – Dipl.-Sozialpädagogin – Begleitung junger Erwachsener in die Selbständigkeit, Organisation und Durchführung von Bildungsurlaubsreisen, Dozententätigkeit Berufs­fachschule, Gezieltes Lernen für Schulunterricht/schulische Abschlußprüfungen/ Berufsschulunterricht – bei der Möwe seit 1992 (vorher im Kinder- und Jugendheim Heilsberg tätig).

Mittlerweile bin ich 34 Jahre für Kinder und Jugendliche tätig. Im „betreuten Wohnen“ begleite ich junge Erwachsene in die Selbständigkeit. Für die optimale Unterstützung hinsichtlich Prüfungsvorbereitung und Schule kommt mir meine zusätzliche Ausbildung zur Bürokauffrau zugute. Zu vielen meiner „Ehemaligen“ habe ich noch Kontakt, werde zu Hochzeiten eingeladen oder über Geburten informiert. Dies sind die Höhepunkte meines Jobs, wenn ich erkenne, dass der Schritt in die Selbstständigkeit gelungen ist und ich durch mein Wirken einen Grundstein hierfür gelegt habe. Natürlich erlebe ich auch Kehrseiten – der Jugendliche weicht mir aus geht nicht ans Telefon oder verschiebt Termine. Unvoreingenommenheit und Geduld sind wichtig – man muss Rückschläge einstecken und versuchen, vorurteilsfrei weiterzumachen.